- Kommentare
- Teilen
- Mehr
- Feedback
- Fehler melden
Sie haben einen Fehler gefunden?
Bitte markieren Sie die entsprechenden Wörter im Text. Mit nur zwei Klicks melden Sie den Fehler der Redaktion.
In der Pflanze steckt keine Gentechnik
Aber keine Sorge:Gentechnish verändert sind die
FOCUS online „Olaf Scholz hofft, dass die Union Friedrich Merz zum Kanzlerkandidaten macht."
-
FOCUS-online-Redakteurin Anna Schmid
Donnerstag, 13.06.2024, 11:30
Olaf Scholz steht in der Kritik. Wegen seiner Wirtschaftspolitik, seinem „Nein“ zu Taurus und nicht zuletzt den schlechten SPD-Ergebnissen bei der Europawahl. Einer, der den Kanzler gut kennt, ist der Autor Lars Haider. Er sagt: „Scholz schaut nie zurück.“
Die mit einem
Symbol oder Unterstreichung gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Kommt darüber ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision - ohne Mehrkosten für Sie! Mehr Infos
FOCUS online: Herr Haider, Sie kennen Olaf Scholz so gut wie kaum ein anderer Journalist, haben sogar eine Biografie über ihn veröffentlicht. Was würden Sie sagen: Wie geht es dem Kanzler gerade?
Lars Haider: Er wirkt sehr fröhlich, deutlich fröhlicher als zu Beginn der Kanzlerschaft. Das passt auf den ersten Blick weder zu den miserablen Umfragewerten noch zu den Europawahl-Ergebnissen. Immerhin hat die SPD nach dem Krieg noch nie so schlecht bei einer bundesweiten Wahl abgeschnitten wie jetzt.
Auf den zweiten Blick macht die Fröhlichkeit aber Sinn. Ich denke, Scholz fühlt sich an 2021 erinnert. Damals hatten ihn die meisten abgeschrieben. Wie Sie wissen, wurde er trotzdem Kanzler.
Sind die Parallelen zu 2021 denn wirklich vorhanden?
Haider: Ich kann verstehen, dass Scholz daran glaubt. Auch damals hätte es niemand für möglich gehalten, dass er wirklich Regierungschef wird. Ich denke aber, dass sich die Situation deutlich verändert hat. Scholz war 2021 der Meinung, dass sich die Menschen jemanden wünschen, der so ähnlich ist wie Angela Merkel. Das hat auch gestimmt. Heute trifft das aber nicht mehr zu.
Die Menschen wollen jemanden, der ihnen Zuversicht vermittelt, der ihnen das Gefühl gibt, für ihre Interessen zu kämpfen. Der Politikertyp Angela Merkel – eher moderierend, still und leise regierend – hat ausgedient.
Was ist Olaf Scholz wichtiger: Das Wohl des Landes und seiner Bürger oder der Machterhalt?
Haider: Das kann man wahrscheinlich bei keinem Spitzenpolitiker voneinander trennen. Wem das Wohl des Landes wichtig ist und wer glaubt, der Richtige zu sein, um dieses Wohl zu gewährleisten, der hat auch ein Interesse daran, gewählt zu werden.
Und wie tickt Olaf Scholz?
Haider: Ich habe ihn als jemanden kennengelernt, der – auch wenn man es oft nicht merkt - sehr leidenschaftlich für politische Themen kämpft. Sei es gerechte Bezahlung, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen oder, dass Deutschland nicht in den Ukraine-Krieg hineingezogen wird. Olaf Scholz ist sehr überzeugt von sich selbst.
„Der Weg von einem Besserwisser zu einem arroganten Menschen ist nicht weit“
Auf die Frage, ob er die Europawahlergebnisse kommentieren wolle, antwortete der Kanzler mit „Nö“. Das kam bei vielen Beobachtern gar nicht gut an.
Haider: Olaf Scholz ist jemand, der nicht gerne viel sagt. Er würde am liebsten in Ruhe regieren und immer mal wieder Wasserstandsmeldungen abgeben. Das „Nö“ hörte sich für mich so an, als wäre es im Vorbeigehen gefallen. Und es passt auch zu Scholz‘ norddeutscher Art.
Trotzdem ist es ein recht kurzer Kommentar zu einer Wahl, die für die SPD kaum schlechter hätte ausfallen können.
Haider: Das stimmt natürlich. Aber es ist auch schwierig, das Ergebnis der Wahl zu kommentieren. Die SPD hat Olaf Scholz in den Mittelpunkt ihrer Kampagne gestellt. Ob das eine kluge Entscheidung war, darüber lässt sich streiten. In dem Moment, in dem die Scholz-Plakate hingen, wurde die Europawahl zu einer Abstimmung über die Ampelregierung.
Die dann wohl ein Schlag ins Gesicht war.
Haider: Ich denke, den ständigen Ankündigungen müssen endlich Taten folgen. Würde Julian Nagelsmann mit der deutschen Nationalmannschaft das EM-Finale gewinnen, müsste er sich nicht groß erklären. Es wäre völlig egal, ob er im Vorbeigehen „Nö“ sagt. Im Moment agiert Scholz wie ein Trainer, der begründen muss, warum seine Mannschaft ein Spiel verloren hat.
Der Kanzler wird von vielen als Besserwisser wahrgenommen.
Haider: Das stimmt, Olaf Scholz ist ein Besserwisser. Laut seinem Vater war er das schon zu Schulzeiten.
Eigentlich nichts Gutes, oder?
Haider: Der Weg von einem Besserwisser zu einem arroganten Menschen ist nicht weit. Wie bei diesem „Nö“, da klingt es arrogant. Und Scholz tut sich schwer, Ratschläge anzunehmen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass er viele Dinge besser durchdrungen hat als andere.
Viele, aber nicht alle: Wo hat Scholz es denn nicht besser gewusst?
Haider: Beim Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Beispiel. Das dürfte Scholz schwer im Magen liegen. Das Bild des Besserwissers hat dadurch Kratzer bekommen.
Über den Interviewpartner
Lars Haider ist Chefredakteur des "Hamburger Abendblatts". 2021 veröffentlichte er das Buch "Olaf Scholz: Der Weg zur Macht", das zum Spiegel-Beststeller wurde.
„Scholz sagte über Merz: 'Gegen den verliere ich nicht'“
Das Urteil stellte nicht nur Scholz, sondern die gesamte Ampel vor eine Herausforderung.
Haider: Richtig. Das Geld, das fehlte, war das Geld, das die Meinungsverschiedenheiten in der Koalition überdeckt hätte. Jetzt gibt es neuen Streit, dieses Mal um den Haushalt 2025. Es wird sich zeigen, ob die Ampel eine Lösung findet, mit der FDP, SPD und Grüne gleichermaßen einverstanden sind. Es ist zu befürchten, dass das mit dem zur Verfügung stehenden Geld nicht möglich ist. Selbst die SPD fordert jetzt eine Reform der Schuldenbremse.
Zurück zu Scholz. Was macht die ganze Kritik mit ihm?
Haider: Eine seiner wichtigsten Eigenschaften ist, dass er nie zurückschaut. Egal, was passiert. Es gab starke Rückschläge in Scholz‘ Leben, zum Beispiel, als er die Wahl zum SPD-Parteivorsitzenden verlor.
Ich glaube, er beschäftigt sich mit solchen Niederlagen nicht so viel. Scholz sagt sich: So ist es eben. Er überlegt, was er in Zukunft besser machen kann und jammert nicht. So wenig Freude der Kanzler zeigt, so wenig zeigt er auch Enttäuschung oder Verunsicherung.
Was ist Scholz‘ Strategie für 2025? Dann steht schließlich die nächste Bundestagswahl an.
Haider: Olaf Scholz hofft, dass die Union Friedrich Merz zum Kanzlerkandidaten macht. Dann könnte er darauf verweisen, dass Merz keine Regierungserfahrung hat, waghalsiger bei Kriegsentscheidungen ist als er und ein Problem mit Frauen hat.
Deswegen positioniert sich Scholz auch so stark gegen Taurus. Es ist ein Symbol. Er will sagen: Wenn ihr nicht in diesen Krieg hineingezogen werden wollt, müsst ihr mich wählen. Als ich Scholz im September 2023 getroffen habe, sagte er über Merz: „Gegen den verliere ich nicht.“ Darauf baut glaube ich seine ganze Strategie. Auch, wenn er die Frage nach dem Koalitionspartner ausblendet.
Was macht der Kanzler generell in schwierigen Situationen? Hat er Rituale, um abzuschalten? Hobbies?
Haider: Das ist ein Phänomen bei Olaf Scholz. Wir alle haben Hobbies, mit denen wir runterkommen. Scholz braucht nichts, um runterzukommen, weil er gar nicht erst hochkommt. Ich habe ein einziges Mal erlebt, wie er jemanden angeschrien hat.
Er hat eine unglaubliche Resilienz, selbst während des völlig aus dem Ruder gelaufenen G20-Gipfels 2017: Scholz sagte damals, er hätte nur vier Stunden geschlafen, die allerdings tief und fest. Das zeigt, wie wenig ihn aus der Bahn werfen kann.
Haben Sie denn Situationen erlebt, in denen Scholz emotional wurde?
Haider: Ich erinnere mich nur an eine einzige solche Situation. Das war kurz nach dem G20-Gipfel. In der Hamburger Elbphilharmonie fand ein Konzert statt, auf das die Polizisten, die im Einsatz waren, eingeladen wurden. Olaf Scholz und ich waren auch dort.
Ich habe seine Anspannung gespürt und so etwas wie Unsicherheit und Tränen in seinen Augen gesehen. Ich weiß natürlich nicht, ob das daran lag, dass Scholz die Ereignisse des Gipfels so nahe gingen. Oder daran, dass er dachte, seine politische Karriere wäre jetzt vorbei.
„Die Leute denken nicht: Wenn Friedrich Merz Kanzler wäre, wäre alles besser“
Wie würden Sie die politische Strategie, die der Kanzler in seiner bisherigen Amtszeit gefahren ist, beschreiben?
Haider: Ich bin, wie ich bin. Das ist das ganze Geheimnis. Viele Leute fragen sich: Wie ist der Kanzler wirklich? Ich muss sagen: Wir sehen das, was es gibt. Scholz ist keine Mogelpackung. Man kann ihn langweilig oder dröge finden. Aber er versucht nicht, irgendjemand anders zu sein als Olaf Scholz.
Offensichtlich kommt das bei der Bevölkerung nicht besonders gut an – zumindest mit Blick auf aktuelle Umfragen. Stört Scholz das gar nicht?
Haider: Seit mehreren Jahrzehnten sagen ihm Journalisten und Menschen aus seinem Umfeld, er müsse sich verändern. Scholz hat es aber zum neunten Kanzler der Bundesrepublik gebracht. Das ist für ihn eine Bestätigung. Er denkt sich: So schlecht kann es nicht sein, ich wurde ja gewählt. Deshalb hat er Schwierigkeiten, sich zu verändern. Außerdem ist das eine Persönlichkeitsfrage. Friedrich Merz kann auch nicht auf einmal zum Frauenversteher werden oder Markus Söder zum Intellektuellen. Das würde man ihnen nicht abnehmen.
Mehrere Unionspolitiker haben Scholz nach der Schlappe bei der Europawahl aufgefordert, die Vertrauensfrage zu stellen.
Haider: Scholz hat natürlich kein Interesse an Neuwahlen. Und die Deutschen auch nicht, das zeigt eine aktuelle Forsa-Umfrage . Nur 18 Prozent trauen der Union zu, mit den Problemen in Deutschland fertig zu werden. Die Leute denken nicht: Wenn Friedrich Merz morgen Kanzler wäre, wäre alles besser. Wir sind in einer Situation, in der wir uns fragen müssen: Was würden Neuwahlen bringen? Sie würden für die Ampel und Scholz nichts Gutes bedeuten, an der Unzufriedenheit im Land aber vermutlich nichts ändern.
Das Buch von Lars Haider (Anzeige)
Olaf Scholz: Der Weg zur Macht
„Die Verbindung zwischen dem Kanzler und seinem Volk ist teilweise abgerissen“
Glauben Sie, Scholz kann das Ruder bis zur Bundestagswahl noch herumreißen?
Haider: Man soll nie „nie“ sagen. 2018 hat er mir erzählt, dass die Stimmung sechs Wochen vor der Wahl umschlagen würde, die Menschen jemanden wollen wie Merkel und er mit rund 25 Prozent Kanzler werde. Das hörte sich damals wie eine Verschwörungstheorie an. Aber Scholz hatte Recht.
Angesichts der Dinge, die jetzt passiert sind, glaube ich allerdings nicht an eine Wiederholung solcher Prognosen. Aus meiner Sicht ist es keine gute Strategie, darauf zu setzen, dass der Kanzlerkandidat der Union noch schwächer ist als der eigene. Nach dem Motto: Wir sind das kleinere Übel.
Die Rede vor dem Bundestag zur Abschiebung nach Afghanistan in der vergangenen Woche wirkte wie eine Verzweiflungstat: Wird Scholz nervös?
Haider: Ich musste sofort an das Cover eines großen deutschen Nachrichtenmagazins denken: „Jetzt schieben wir im großen Stil ab.“ Und dann ging es um ein paar hundert Leute. Ankündigungen, Forderungen, Politik erklären – alles schön und gut.
Ich bleibe dabei: Wenn du das Finale gewinnst, musst du gar nichts erklären. Die Leute müssen das Gefühl haben, dass Dinge wirklich passieren, dass sie etwas von den politischen Entscheidungen merken. Scholz kann zwanzig Mal sagen, dass er abschieben will. Viel effektiver wäre es, echte Zahlen zu präsentieren. Das wird aber wahrscheinlich nicht passieren.
Wie geht der Kanzler aus Ihrer Sicht die nächsten Tage und Monate an?
Haider: Jetzt kommen viele Ereignisse von außen auf Scholz zu: die Landtagswahlen, die US-Wahl. Die Verbindung zwischen dem Kanzler und seinem Volk ist teilweise abgerissen. Es wird schwer, das Vertrauen wieder aufzubauen.
Hätten Sie einen Tipp für Scholz?
Haider: Wer bin ich, dem Bundeskanzler Ratschläge zu geben. Er wird selbst wissen, was Sache ist. Scholz hat kluge Pläne, das weiß ich aus mehreren Gesprächen. Aber die müssen erst mal umgesetzt werden. Selbst, wenn sie gut funktionieren: Oft sieht man die Ergebnisse erst in einigen Jahren – dann ist es für Scholz zu spät.
sca/